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Anwaltsgerichtshof Beschluss


 Geschäftsnummer:

AGH 9/2019 II

Anwaltsgerichtshof
Baden-Württemberg

- II. Senat -

Beschluss

vom 7. Dezember 2019

Im Prozesskostenhilfeverfahren

Rechtsanwalt Anwalt 12, .............................Lörrach

- Antragsteller -

gegen

Rechtsanwaltskammer Freiburg
Bertoldstraße 44, 79098 Freiburg

- Antragsgegnerin -

wegen (Untätigkeitsklage zur) Wiederaufnahme eines Rügeverfahrens

hat der II. Senat des Anwaltsgerichtshofs Baden-Württemberg

beschlossen:

Das Prozesskostenhilfegesuch des Antragstellers vom 18.04.2019 wird zurückgewiesen.

 

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Gründe:

I.

Der 19... geborene Antragsteller ist seit vielen Jahren bei der Antragsgegnerin als Rechtsanwalt zugelassen.

Er wurde im Jahr 2015 von Frau Gertrud Moser mit der Prozessführung in Verwaltungsrechtssachen mandatiert, allerdings entzog ihm diese mit Schreiben vom 11.11.2015 die erteilte Vollmacht. was der Antragsteller aber nach § 105 BGB für nichtig hielt.

In der Folge wurde der Antragsteller im Verfahren 1 S 493/16 des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg durch Verfügung vom 12.11.2015 als Prozessbevollmächtigter ausgeschlossen.

Mit Schriftsatz vom 29.03.2016 erhob er im genannten Verfahren „für die Klägerin" / „im wahrgenommenen Interesse der Mandantin (Klägerin)" (vorsorglich) Kostenerinnerung.

Mit Bescheid der Antragsgegnerin vom 03.05.2016 (BA/39/2016 — AS 3 ff.) ist auf eine Beschwerde der Frau Gertrud Moser vom 15.02.2016 gegen den Antragsteller wegen Verstoßes gegen § 43 BRAO eine Rüge ausgesprochen worden, weil er trotz Fehlens einer Bevollmächtigung durch Frau Moser für jene (weiter) tätig war.

Nachdem ihm mit Schreiben der Antragsgegnerin vom 11.05.2016 ein Schreiben der Beschwerdeführerin vom 05.04.2016 nachträglich übermittelt worden war, nahm der Antragsteller mit Schreiben vom 24.05.2016 seinen gegen den Rügebescheid erhobenen Einspruch zurück.

Der Senat hat mit Beschluss vom 05.07.2017 (AGH 17/2017 II) den (ersten) Antrag des Antragstellers auf Gewährung von Prozesskostenhilfe für eine auf die Wiederaufnahme des Rügeverfahrens zielende Klage und mit Beschluss vom 22.12.2017 (AGH 37/2017 II) ein weiteres Prozesskostenhilfegesuch wegen eines Antrags auf Wiedereinsetzung zur Wiederaufnahme des Rügeverfahrens zurückgewiesen, weil weder die Voraussetzungen von § 51 noch diejenigen von § 48 Abs. Satz 1 VwVfG vorlagen.

Im Oktober 2018 hat der Antragsteller bei der Antragsgegnerin beantragt über die Aufhebung der unanfechtbaren Rüge (...) zu entscheiden und das Beschwerdeverfahren einzustellen", weil zwei Forderungsklagen der Frau Moser auf Rückzahlung von Honoraren inzwischen vom Amtsgericht abgewiesen worden sind.

Diesen Antrag hat der Vorstand der Antragsgegnerin mit Bescheid vom 23.11.2018 abgelehnt. Hiergegen

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hat der Antragsteller mit Schriftsatz vom 06.12.2018 Widerspruch eingelegt und beim Senat einen (dritten) Antrag auf Prozesskostenhilfe gestellt. Der Senat hat diesen mit Beschluss vom 05.02.2019 (AGH 26/2018 II) zurückgewiesen, weil das Widerspruchsverfahren noch nicht abgeschlossen sei.

Im vorliegenden Verfahren beantragte der Antragsteller unter Bezugnahme auf seinen Vortrag im Verfahren AGH 26/2018 II zunächst am 18.04.2019 Prozesskostenhilfe für eine Untätigkeitsklage, weil die Antragsgegnerin noch nicht über seinen Widerspruch vom 06.12.2018 entschieden habe.

Mit Schriftsatz vom 14.05.2019 bat der Antragsteller, "den Beschluss des II. Senats vom 05.02.2019 aufzuheben und das Verfahren mit dem neuen Verfahren (...) zu verbinden", weil der Gesamtvorstand der Antragsgegnerin bereits am 14.12.2018 (ablehnend) über seinen Widerspruch entschieden hatte, obwohl die Antragsgegnerin mit Schriftsatz vom 18.12.2018 im Verfahren AGH 26/2018 vorgetragen hatte. ..das Vorverfahren ist noch nicht durchgeführt".

Die Antragsgegnerin erklärt diesen - unstreitig gestellten - Ablauf damit, dass bei der Prüfung der ausgefertigten Entscheidung des Gesamtvorstandes Fehler bemerkt worden seien und das Schreiben zur Korrektur im Dokumentenmanagement-System in die Sachbearbeitung zurückgegeben worden sei.

Wegen mehreren langfristigen Erkrankungen und Ausfällen von Mitarbeitern sei die Entscheidung dem Antragsteller dann erst am 14.05.2019 zugestellt worden.
Ein Rechtsschutzbedürfnis für eine Untätigkeitsklage bestehe (jetzt aber) nicht (mehr).

Der Antragsteller erstrebt (weiterhin) ein Wiederaufgreifen des Rügeverfahrens BA/39/2016 und verweist darauf, dass die Antragsgegnerin (unstreitig) zwei andere Beschwerdeverfahren der gleichen Beschwerdeführerin (BA/265/2015 und BA/239/2017) gegen ihn eingestellt hat.

Im Tatbestand zweier (jedoch nicht vorgelegter) zivilrechtlicher Urteile vom 03.07.2018 des Amtsgerichts Lörrach auf Klagen der Beschwerdeführerin (3 C 458/18 wegen ungerechtfertigter Bereicherung und 3 C 449/18 wegen anwaltlicher Schlechtleistung, Gebührenüberhebung und Persönlichkeitsverletzung) sei zum einen die Mandatszeit von 10 Monaten (vom 30.01.2015 bis 12.11.2015) und außerdem festgestellt, dass (unstreitig) die Beschwerdeführerin am

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27.01.2016 selbst vor dem Verwaltungsgericht Freiburg (4 K 2170/15 und 4 K 2449/15) verhandelt hat, ohne dass die Beschwerdeführerin dies dem Antragsteller oder der Antragsgegnerin (im Rahmen des Beschwerdeverfahrens) mitgeteilt hat.

 Nach seiner Ansicht sei seine (..verhängnisvolle) Rücknahme des Einspruchs gegen den Rügebescheid unschädlich, weil es sich bei den Eingaben der Beschwerdeführerin vom 15.02.2016 bis 05.04.2016 um eine unzulässige Rechtsausübung gehandelt habe.

Solange darüber nicht negativ rechtskräftig entschieden sei, könne der rechtswidrige Rügebescheid vom 03.05.2016 nach § 48 Abs. 1 VwVfG abgeändert und aufgehoben werden.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze der Parteien nebst den Anlagen Bezug genommen.

Der zulässige Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe wird zurückgewiesen. weil die beabsichtigte Rechtsverfolgung des Antragstellers keine Aussicht auf Erfolg bietet (§§ 112c Abs. 1 BRAO, 166 VwGO, 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO).
 

1.

Die vom Antragsteller beabsichtigte Rechtsverfolgung hat keine Aussicht auf Erfolg, weil der Rügebescheid der Beklagten vom 03.05.2016 nicht rechtswidrig ist.

Weder liegen die Voraussetzungen für eine Rücknahme des Verwaltungsaktes nach § 48 Abs. 1 Satz 1 VwVfG vor noch hat der Antragsteller Anspruch auf dessen Aufhebung nach § 51 VwVfG wegen einer Veränderung der dem Verwaltungsakt zugrundeliegenden Sachlage.

a)
Der Antrag auf Aufhebung des Senatsbeschlusses vom 05.02.2019 (AGH 26/2018) und eine Verbindung mit dem gegenständlichen Verfahren ist nicht begründet. weil bei

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einer veränderten Sachlage — hier die zwischenzeitliche Bekanntgabe durch Zustellung der bereits am 14.12.2018 erfolgten Widerspruchsentscheidung durch die Antragsgegnerin — der erneute Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe statthaft ist und diesem Antrag nicht wegen der Ablehnung durch den Beschluss vom 05.02.2019 das Rechtsschutzbedürfnis fehlt.

b)
Das zunächst als Untätigkeitsklage bezeichnete Begehren des Antragstellers ist nach zwischenzeitlich erfolgter Entscheidung über seinen Widerspruch — so zu verstehen, dass er (weiter) die Aufhebung der von der Antragsgegnerin ihm gegenüber am 03.05.2016 erteilten Rüge erstrebt.

c)
Der Rügebescheid vom 03.05.2016 ist durch die vom Antragsteller mit Schreiben vom 24.05.2016 „aus verfahrenstaktischen Gründen" erklärten Einspruchsrücknahme zwar unanfechtbar geworden, was aber weder einer Rücknahme noch einer Aufhebung entgegensteht, wenn es sich um einen rechtswidrigen Verwaltungsakt (§ 48 VwVfG) handelt oder sich die dem Verwaltungsakt zugrundeliegende Sachlage geändert (§ 51 VwVfG) hat.

Weil diese Voraussetzungen jedoch nicht vorliegen, hat das Begehren des Antragsstellers keine Aussicht auf Erfolg.
 

2.

Entgegen der Ansicht des Antragstellers ist der Rügebescheid nicht rechtswidrig. wobei sich die Prüfung insoweit auf dessen objektive Ergebnisrichtigkeit bezieht (VGH Mannheim, BeckRS 2017, 137378) und sich nach den zu § 113 Abs. 1 VwGO entwickelten Grundsätzen (mit Ausnahme der dort erforderlichen Rechtsverletzung) richtet.

a)
Zunächst scheidet ein formeller Mangel durch eine Verletzung des rechtlichen Gehörs des Antragstellers aus, obwohl nicht aufgeklärt werden kann, ob ihm das im Rügebescheid als „bereits zugeleitet" bezeichnete Schreiben der Beschwerdeführerin vom 05.04.2016 vor der Rüge übermittelt wurde.

Der Antragsteller hat den (zwischenzeitlichen) Erhalt dieses Schreiben aber am 13.05.2016 bestätigt und „auf weiteres nachgeholtes Gehör" verzichtet. Damit ist ein möglicher formaler Mangel noch vor der

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mit Schreiben des Antragstellers vom 24.05.2016 erklärten Rücknahme seines Einspruchs geheilt worden.

b)
Für die Beurteilung der materiellen Rechtmäßigkeit ist zunächst unerheblich, dass die Antragsgegnerin zwei andere von der gleichen Beschwerdeführerin und aus dem gleichen Mandatsverhältnis gegen den Antragsteller eingeleitete Beschwerdeverfahren (BA/265/2015 und BA/239/2017) eingestellt hat.

Diese Einstellungen haben keine präjudizielle Wirkung für die Rechtmäßigkeit der ausgesprochenen Rüge.

c)
 Entgegen der Ansicht des Antragstellers lässt sich aus den vorgetragenen Tatbestandsfeststellungen in den beiden Urteilen des Amtsgerichts Lörrach vom 03.07.2018 kein Rückschluss auf eine Rechtwidrigkeit der ausgesprochenen Rüge ableiten.

Nach § 43 Satz 1 BRAO hat der Rechtsanwalt seinen Beruf gewissenhaft auszuüben.

Die Antragsgegnerin verwies in der Begründung des Rügebescheids zutreffend auf die Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 03.11.2014 (AnwSt (R) 5/14), dass zivilrechtliche Pflichten, die den Rechtsanwalt im Rahmen seiner Berufsausübung treffen, in Verbindung mit § 43 BRAO Berufspflichten sein könnten und dass ein grober Verstoß gegen eine solche Pflicht, welcher die äußere Seite der Anwaltstätigkeit betreffe und mit gewissenhafter Berufsausübung und mit der Stellung des Rechtsanwalts nicht mehr vereinbar sei, auch einen Verstoß gegen § 43 BRAO darstelle.

Die Befugnis des Rechtsanwalts zur Vertretung des Mandanten sei als Kernfrage der Berufsausübung anzusehen.

Gegen die Pflicht ohne eine solche Befugnis nicht für den Mandanten aufzutreten. habe der Antragsteller objektiv gesehen grob verstoßen.

Dies sei auch schuldhaft erfolgt, weil der Antragsteller durch den Vorsitzenden der Beschwerdeabteilung darauf hingewiesen worden sei, dass eine Zustellungsvollmacht im Verwaltungsprozess nicht fortwirke. er aber die Beschwerdeführerin weiter vor dem Verwaltungsgericht vertreten habe.
Der Senat folgt dieser Einschätzung.

Diese Bewertung wird durch die inzwischen ergangenen zivilrechtlichen Urteile des Amtsgerichts nicht berührt oder gar in Frage gestellt. Denn der vom Antragsteller genannte Mandatszeitraum (vom 30.01.2015 bis 12.11.2015) hat hierfür ebenso keine Bedeutung wie der Umstand, dass die Beschwerdeführerin in zwei Verwaltungspro-

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zessen am 27.01.2016 ohne Vertretung durch den Antragsteller selbst vor dem Verwaltungsgericht aufgetreten ist.

Auch der Umstand, dass der Antragsteller und die Antragsgegnerin dies erst später erfahren haben, steht der getroffenen Feststellung einer groben Verletzung der Pflicht zur gewissenhaften Ausübung des Berufs als Rechtsanwalt nicht entgegen.

Dass die Beschwerdeführerin ihr eigenes Auftreten vor dem Verwaltungsgericht dem Antragsteller und auch (im Rahmen der vorgebrachten Beschwerden) der Antragsgegnerin nicht mitteilte, stellt keine unzulässige Rechtsausübung dar.,
weil keine entsprechende Pflicht zur Offenlegung ihres Verhaltens nach erfolgter Beendigung des Mandats mit dem Antragsteller erkennbar ist.

d)
Die Voraussetzungen einer Aufhebung des Verwaltungsaktes nach § 51 VwVfG liegen nicht vor, weil keine nachträgliche Veränderung der Sachlage zugunsten des Antragstellers vorliegt.

Denn der der Rüge zugrundeliegende Vorwurf ist unabhängig davon, dass die Beschwerdeführerin ohne Vertretung durch den Antragsteller selbst vor dem Verwaltungsgericht auftrat.

Dass der Antragsteller (auch) die Termine am 27.01.2016 in Vertretung der Beschwerdeführer wahrgenommen habe, wurde ihm im Rügebescheid nicht vorgeworfen.

 Die zivilrechtlichen Urteile enthalten daher keine Feststellungen zu — im Hinblick auf die Rüge — einer zu Gunsten des Antragstellers entscheidungserheblich veränderten Sachlage.

Der Senat braucht deswegen nicht zu prüfen, ob die Antragsfrist von drei Monaten ab der Kenntnis vom Grund für das Wiederaufgreifen (§ 51 Abs. 3 VwVfG) eingehalten ist; da die amtsgerichtlichen Urteile vom 03.07.2018 datieren, bestehen auch hieran erhebliche Zweifel.

3. Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (vgl. BGH, Beschluss vom 04.09.2012 - AnwZ (B) 3/12, juris).

 
Bunk Melchinger

Kirchberg Adam Borth
Prof. Dr. Kirchberg Dr. Adam Borth
Rechtsanwalt Richter am OLG Rechtsanwalt
 
Bunk Melchinger  
Bunk Dr. Melchinger  
Vizepräsident des LG Rechtsanwalt  
 

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Beglaubigt
Stuttgart. den 9 Dezember 2019
Anwaltsgerichtshof Baden-Württemberg
Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
x........................ Amtsinspektorin
 


Geändert am:   10.12.2021

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